Brief an die Christinnen und Christen im Heiligen Land
02. Dez 2024
Seit über einem Jahr tobt der Krieg im Nahen Osten.
Wir alle hofften darauf, dass in Verhandlungen ein Ende der Bombardierungen, die Freilassung der Geiseln und eine Verbesserung der katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen erreicht werden könnte. Stattdessen mussten wir mitansehen, wie sich die Kriegshandlungen wie ein Flächenbrand ausweiteten. Weder die Vereinten Nationen noch Urteile des Internationalen Gerichtshofs oder des Strafgerichtshofs konnten diese Entwicklung verhindern, auch nicht die vielfältigen zivilgesellschaftlichen Initiativen.
Aus diesem Gefühl der Ohnmacht heraus hat die pax christi Delegiertenversammlung bei ihrem diesjährigen Treffen Ende Oktober einen Brief an die Christinnen und Christen im Heiligen Land geschrieben, der unsere Betroffenheit über dieses Versagen und unseren Schmerz über das Leid der Betroffenen zum Ausdruck bringt.
Diesen Brief drucken wir im Folgenden ab:
Liebe Schwestern und Brüder,
mit Schmerz verfolgen wir das Leid und den Tod so vieler Menschen in Eurem Land, das die Wiege der drei monotheistischen Religionen ist, und damit auch der Ehrfurcht vor Gott, der Barmherzigkeit und der Menschlichkeit.
Seit vielen Jahren sehen und hören wir Euren Schrei der Hoffnung auf Gerechtigkeit, Freiheit, das Ende der Besatzung und ein Leben in Würde. Wir sind solidarisch mit den Opfern der Gewalt und mit den Menschen, die sich für einen gerechten Frieden in Palästina und Israel einsetzen.
Nach dem grausamen Massaker und der Geiselnahme am 7. Oktober 2023 an Menschen im Süden Israels sind die Bewohner:innen, darunter viele Familien mit Kindern in Gaza in Tod, Brutalität, militärische Gewalt, Ressentiments und Rachegelüsten versunken. Angst und Ungewissheit über die Zukunft plagen sie.
Die Krippe in der Weihnachtskirche in Bethlehem hat uns berührt: Das Christkind in Trümmern, aus Überresten zerbombter Häuser, und die Weihnachtspredigt von Pfarrer Munther Isaac, in der er sagte, die Welt und die Kirchen schauen zu bei den Live-Bildern, die das Volk von Gaza von seiner eigenen Hinrichtung sendet: „Wir werden von der Stille der Welt gequält.“ Bitter sprach er vom Schweigen der Kirchen als Komplizenschaft.
Und wir haben den Osterappell der Theologinnen und Theologen von Kairos Palästina vernommen, der sich ebenfalls „schockiert und entmutigt“ zeigt „über das Schweigen von Kirchenführern und Theologen“ angesichts von zehntausenden Toten, 1,8 Millionen Vertriebenen und einer halben Million Menschen am Rande des Hungertodes. In dem Osterappell von Kairos Palästina lesen wir: „Wir verstehen nicht, wie einige Christen die anhaltenden wahllosen Angriffe auf den Gazastreifen und die Lieferung von Waffen und Geheimdienstinformationen durch ihr Land an Israel unterstützen, obwohl sich Israels koloniales rassistisches Apartheidprojekt inzwischen zu einem fortgesetzten Völkermord entwickelt hat.“ Wir sehen an diesen harten Aussagen, wie tief eure Verzweiflung und eure Verletzungen sind. Der Appell weist auch auf die Morde im Westjordanland durch Siedler und die Besatzungsarmee hin und auf die Schutzlosigkeit der Bevölkerung angesichts der Straffreiheit der Täter.
Wir sind dankbar und berührt vom Bekenntnis im Osterappell, „dass palästinensische Christinnen und Christen nach wie vor voll und ganz dem Weg Jesu im kreativen gewaltfreien Widerstand verpflichtet“ sind und dem Glauben, „dass Gottes Güte letztlich über das Böse des Hasses und des Todes triumphieren wird, das in unserem Land immer noch herrscht.“
Die Osterbotschaft des ehemaligen internationalen Präsidenten von pax christi, Patriarch Emeritus Michel Sabbah ist uns Verpflichtung: „In jeder Zeit sagt Gott zu allen, die Krieg führen: Hört auf, seid menschlich, erkennt euch als Menschen, die zur Liebe fähig sind, nicht zum Töten und zur Zerstörung. Lassen Sie nicht zu, dass diese Zerstörung und das menschliche Leid umsonst sind, lassen Sie es den Beginn eines wahren, definitiven und gerechten Friedens sein.“
pax christi in Deutschland setzt sich seit Jahrzehnten für das Ende der Besatzung Palästinas ein und fordert nach dem Massaker am 7. Oktober 2023 einen Waffenstillstand und die Freilassung der israelischen Geiseln und der verschleppten palästinensischen Gefangenen sowie einen Stopp der Waffenlieferungen nach Israel.
Wir üben öffentlich Kritik an der Unterstützung der israelischen Regierung durch die deutsche Bundesregierung und führen in Kooperation mit anderen Organisationen Demonstrationen, Kundgebungen, Mahnwachen, Unterschriften-Aktionen, lokale Informationsveranstaltungen und Friedensgebete für die Menschen in Eurem Land und im Libanon durch.
Wir trauern mit Euch, beten für ein Ende des Hasses und der Gewalt und teilen, was Patriarch Pierbattista Kardinal Pizzaballa vor der Deutschen Bischofskonferenz am 25.9.2024 sagte: „Ich glaube, dass das Gegenmittel gegen Gewalt und Verzweiflung, woher sie auch kommen, darin besteht, Hoffnung zu schaffen und zu Hoffnung und Frieden zu erziehen.“
Mit herzlichen Grüßen im Namen der Delegiertenversammlung von pax christi –Deutsche Sektion
Birgit Wehner, Bundesvorsitzende
Gerold König, Bundesvorsitzender
Rückmeldungen auf den Brief
Kairos Palästina
Sehr geehrte Birgit Wehner, Gerold König, und die Vertreterversammlung von pax christi Deutschland,
im Namen von Kairos Palästina sind wir Ihnen sehr dankbar für Ihr herzliches Solidaritätsschreiben. Ihre unerschütterliche Unterstützung für Gerechtigkeit und Frieden in Palästina, insbesondere im Gazastreifen, wo die Situation katastrophal ist, gibt uns dringend benötigte Hoffnung.
Wir sind bewegt von Ihrer Anerkennung des Leidens des palästinensischen Volkes und des Schmerzes der palästinensischen Christen sowie von Ihrer Kritik am Schweigen vieler Kirchenführer. Im Osterappell von Kairos Palästina haben wir unsere tiefe Bestürzung darüber zum Ausdruck gebracht, dass die Weltkirche es versäumt hat, ihre Stimme gegen die anhaltende Gewalt und Besatzung zu erheben, und Ihre Worte stimmen mit unserer Forderung nach Rechenschaftspflicht und einem Ende der Mitschuld überein.
Wir schätzen auch Ihre Verurteilung der Unterstützung der deutschen Regierung für Israels Militäraktionen. Angesichts der Eskalation der Gewalt sind Ihr Eintreten für einen Stopp der Waffenlieferungen und Ihre Bemühungen, für Gerechtigkeit zu mobilisieren, von entscheidender Bedeutung, wenn es darum geht, die globale Diskussion auf einen gerechten und dauerhaften Frieden auf der Grundlage von Würde, Gleichheit und Freiheit für alle zu lenken.
Vielen Dank, dass Sie uns in diesen schmerzlichen Zeiten beistehen. Ihre Solidarität stärkt unsere Entschlossenheit, und gemeinsam hoffen und arbeiten wir weiter für eine Zukunft, in der Frieden und Gerechtigkeit herrschen.
Mit Dankbarkeit und Solidarität,
Rifat Kassis
Kairos Palästina, Generalkoordinator
H. B. Msgr. Michel Sabbah, emeritierter Lateinischer Patriarch von Jerusalem
Ein besonderes Dankeschön, auch in meinem Namen, als ehemaliger internationaler Präsident von Pax Christi. Ich danke Ihnen für Ihre Botschaft, für Ihre Solidarität und Ihren Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit in unserem Heiligen Land. Vielen Dank auch von all unseren Brüdern und Schwestern in diesem Heiligen Land.
Pfr. Dr. Munther Isaac, Pfarrer der ev. luth. Weihnachtskirche in Bethlehem
Liebe Freunde von Pax Christi Deutschland. Vielen Dank für Ihren Brief der Solidarität und für alles, was Sie für die Sache der Gerechtigkeit tun. Bitte teilen Sie unsere Dankbarkeit von Ihren Geschwistern in Palästina.